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Scheinbar hat jeder größere Ort in Brandenburg eine militärische Vergangenheit – aber nur wenige Orte können auf so eine lange, und vor allem kontinuierliche militärische Nutzung zurückblicken wie die Stadt Fürstenwalde. Aber nur wenige Orte können auf eine kontinuierliche militärische Nutzung von 360 Jahren wie die Stadt Fürstenwalde zurückblicken. Beim Spaziergang durch die Stadt stößt man auf zahlreiche Erinnerungen an die frühere Garnisonsstadt und ihre 360 Jährige geschichte – und selbst am Stadtrand zwischen den Feldern und Äckern findet man die Überreste der Mars La Tour Kaserne (auch bekannt als die “Radfahrer Kaserne) aus der Zeit des Dritten Reiches.
Inhaltsverzeichnis
Ein historischer Rückblick auf Fürstenwalde
Während es einige historische Debatten darüber gibt, ob (und von wem) dass das Gebiet um das heutige Fürstenwalde schon bereits im 1. Jahrhundert n. Chr. besiedelt war (siehe “Susudata“), wurde Fürstenwalde offiziell erstmals im Jahr 1272 erwähnt. Seine strategische Lage an der Spree – der für Schiffe jenseits dieses Punktes unpassierbar war – machte es zu einer der reichsten Städte in der Mark Brandenburg.
Fürstenwaldes Aufstieg als einflussreiche Handelsstadt wurde etwas gedämpft, als 1668 der Friedrich-Wilhelm-Kanal gebaut wurde, der die Oder mit der Spree verband und der Stadt einen Teil ihres lukrativen Einkommens raubte. Fürstenwalde profitierte stark durch die Industrialisierung und war 1842 eine der ersten Städte, die an die Niederschlesisch-Märkische Eisenbahn angeschlossen wurde. Die Strecke war eine der ersten Eisenbahnstrecken in Deutschland und verband Berlin mit Breslau (heute Wroclaw in Polen).
Erneut half Fürstenwaldes strategische Lage, die Stadt zu einem attraktiven Industriezentrum für eine Vielzahl von Branchen zu machen. Eine der bekanntesten ansässigen Unternehmen gehörte Julius Pintsch – Hersteller und Erfinder des Pintsch-Gases, welches bis in die 1930er im Eisenbahn- und Schifffahrtsverkehr eingesetzt wurde.
Fürstenwalde als Garnisonsstadt (1618 – 1900)
Wie ganz Europa wurde Brandenburg im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) verwüstet – und auch Fürstenwalde blieb nicht verschont. 1634 wurden stationierte Truppen erstmals in Fürstenwalde dokumentiert, als Sie dem Dom einen silbernen Kelch schenkten. 1687 wurden in der Stadt eine Kompanie “Großer Musketiere” stationiert, und 1778 wurde die Ankunft von zwei Eskadronen (300 Männer) der Zieten-Husaren vermerkt.
Napoleonische Truppen besetzten die Stadt zwischen 1806 und 1813, bis sie von russischen Truppen unter der Führung von General Alexander von Benckendorff (dem Gründer der kaiserlich-russischen Geheimpolizei) befreit wurde. Nach der Befreiung von Napoleon war das 1809 neu gegründete Brandenburgische Ulanen-Regiment (Kaiser von Russland) Nr. 3 ab 1817 in Fürstenwalde garnisoniert.

Für diejenigen, die mit dem Begriff Ulanen nicht vertraut sind, es handelt sich hierbei um eine art der leichten Kavallerie, die Ende des 14. Jahrhunderts in Litauen entstand und schnell in ganz Europa populär wurde.
Seit 1687 waren Soldaten in privaten Unterkünften in Fürstenwalde untergebracht – das änderte sich jedoch im Jahr 1897, als das deutsche Militär die Ulanenkaserne (entlang der Gartenstraße) errichtete und den dort stationierten Truppen zentralisierte Unterkünfte zur Verfügung stellte.
Mars La Tour Kaserne in Fürstenwalde
Nach der Machtergreifung der Nazis, begann das Regime bestehende Militäreinrichtungen (wie zum Beispiel in Wünsdorf) zu erweitern und neue Kasernen zu bauen. Die Ulanenkaserne in Fürstenwalde wurde im Jahr 1937 erweitert und war fortan die Heimat des 1. Pionier-Bataillons für Eisenbahn und schweren Brückenbau, das für den Bau von Eisenbahngleisen und Brücken verantwortlich war.

Das Kavallerie-Regiment 9, das seit 1920 in Fürstenwalde stationiert war, musste aus der Ulanenkaserne ausziehen, obwohl für sie ein brandneues Militärkomplex – bekannt als “Reiter Kaserne” – entlang der Braunsdorfer Chaussee errichtet wurde. Es ist erwähnenswert, dass die Reiter Kaserne in Fürstenwalde (und möglicherweise auch die Mars La Tour Kaserne) vom Architekten Robert Kisch entworfen wurde, der auch die Kaserne Krampnitz außerhalb von Potsdam entworfen hat.
Ein weiterer im Bau befindlicher Militärkomplex war die sogenannte “Mars La Tour” Kaserne, etwas weiter südlich der Reiter Kaserne. Genaue Details sind schwer zu ermitteln und scheinen im Laufe der Zeit verloren gegangen zu sein, aber die Mars La Tour Kaserne in Fürstenwalde (nicht zu verwechseln mit der Mars-la-Tour-Kaserne in Braunschweig) wurde zwischen 1937 und 1943 errichtet und bestand aus 8 Kasernen, zwei großen Eingangstoren sowie zwei Speisesaalgebäuden. Die lange Bauzeit lässt vermuten, dass der Komplex im Laufe der Jahre mehrmals erweitert wurde.





Die Mars La Tour Kaserne, benannt nach der Schlacht von Mars-la-Tour am 16. August 1870 (die einen wichtigen strategischen Sieg der preußischen Armee über die Franzosen zur Folge hatte) – beherbergte anscheinend das II./Kavallerie-Regiment 9 vor Ausbruch des Krieges (der Regimentsstab sowie die I., II. und III. Eskadron waren alle in Fürstenwalde stationiert).
Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und der Entsendung des Kavallerie-Regiments 9 an die Front zogen neue Einheiten in die Mars La Tour Kaserne ein, darunter die Radfahr-Ausbildungs-Abteilung 9 – eine Fahrradinfanterie-Einheit – um das Jahr 1943 herum. Von dieser Einheit erhielt die Mars La Tour Kaserne ihren anderen Namen, die “Radfahrerkaserne”.





Im Jahr 1939 wurde aus dem Kavallerie-Regiment 9 die Kavallerie-Ersatz-Abteilung 9 gebildet, zu der auch 2 Fahrrad-Schwadronen gehörten. Im Laufe des Krieges änderte sich mehrmals der Name der Einheit und sie wurde schließlich 1943 in eine Radfahr-Ersatz-Abteilung 9 und eine Radfahr-Ausbildungs-Abteilung 9 aufgeteilt.
Als sich das Kriegsgeschehen zu ungunsten des Dritten Reichs wendete, wurde im späten September 1944 der Volkssturm ins Leben gerufen. Alle Männer im Alter von 16 bis 60 Jahren wurden als letzter verzweifelter Versuch, die sowjetischen Truppen (und die Alliierten) aufzuhalten, eingezogen. In Fürstenwalde wurde die Mars La Tour Kaserne genutzt, um die neuen Wehrpflichtigen auszubilden.





Angesichts des raschen Vormarsches der sowjetischen Truppen Richtung Berlin wurde Fürstenwalde als entscheidend für den 3. Hauptverteidigungsring um Berlin eingestuft und zur Festung erklärt. Die sowjetische Armee führte am 17. und 18. April 1945 mehrere schwere Luftangriffe durch, bei denen große Teile der Stadt zerstört wurden.
Die verbliebenen Truppen, unterstützt von der Volkssturm, verließen die Reiter Kaserne, die Mars La Tour Kaserne und die Ulanenkaserne, um im verzweifelten Versuch die Rote Armee aufzuhalten. Sie setzten das, was vom Stadtzentrum übrig geblieben war, in Brand, um den sowjetischen Vormarsch zu verlangsamen. Zu diesem Zeitpunkt waren die meisten Mitglieder des Volkssturms bereits aufgerieben, und die letzten Bewohner von Fürstenwalde wurden evakuiert, bevor die Spreebrücke (die Hauptbrücke über die Spree in Fürstenberg) gesprengt wurde. In der Stadt blieben nur noch 2000 Menschen von ehemals 28,000 Einwohner zurück.
Die Mars La Tour Kaserne unter der Sowjet Besatzung
Nach Kriegsende übernahmen die Sowjetische Armee die Reiter Kaserne und die Ulanenkaserne sowie den Flugplatz Fürstenwalde (und die auch als “Russen Villa” bekannten Villen entlang der Promenadenstraße), während die Mars La Tour Kaserne dazu diente, Flüchtlinge und Obdachlose unterzubringen.
Nachdem die Flüchtlinge und Obdachlosen umgesiedelt worden waren, schienen die Sowjetischen Besatzer keinen gebrauch für die Radfahrer Kaserne zu haben und erlaubte 1947 die Teil-Demontage der Anlage, wobei mehrere Arbeiter schwer verletzt und getötet wurden.





Offenbar hatten die Sowjets einen Sinneswandel und beschlossen 1954, das, was von der Mars La Tour Kaserne in Fürstenwalde übrig war, doch noch zu nutzen und in ein Militärkrankenhaus umzuwandeln (ähnlich wie die Heilstätte Beelitz und die Heilstätte Grabowsee). Die Sowjets betrieben das Militärkrankenhaus bis zu ihrem Abzug aus Fürstenwalde im Jahr 1993.
Mit dem Abzug der Sowjetarmee aus Fürstenwalde und der Bundeswehr – die nach der Wiedervereinigung Objekte der NVA in/um Fürstenberg erbte – war Fürstenwalde seit 1634 vollständig frei von jeglicher militärischer Präsenz.
Mars La Tour Kaserne Video
Wie man auf den Fotos sehen kann, befindet sich das Innere des verbleibenden Gebäudes in einem schrecklichen Zustand, und da ein großer Teil des Innenraums ziemlich dunkel ist, gibt es keine (Video)Aufnahmen vom Inneren, sondern nur Drohnenaufnahmen von oben/der Umgebung.
Die Mars La Tour Kaserne Heute (2023)
Nach dem Abzug der sowjetischen Armee aus Fürstenwalde wurden die ehemaligen Militäreinrichtungen an den deutschen Staat übergeben. Die Reiter Kaserne und die Ulanenkaserne wurden in den späten 1990er und frühen 2010er Jahren (nach jahrelangem Leerstand) in zivile Wohnsiedlungen umgewandelt, während ähnliche Pläne für die Mars La Tour Kaserne geschmiedet wurden.





Obwohl das Anwesen zum Verkauf steht und theoretisch in einer attraktiven Gegend liegt, hat in den letzten Jahren niemand das Grundstück erworben, was einige Spekulationen über Bodenkontamination aufkommen lässt. Nur das Haupttor, die sowjetischen Grenzmauern und das Hauptgebäude des “Krankenhauses” haben überlebt, während alle anderen Gebäude abgerissen wurden.

Nachdem das Gebäude so lange leer stand, wurde das Innere des Gebäudes durch Vandalismus, illegale Partys und Brandstiftung stark beschädigt, während einige Einheimische beschlossen haben, das Grundstück als illegale Mülldeponie zu missbrauchen. Obwohl Bemühungen unternommen wurden, um das Gebäude zu sichern, und regelmäßige Aufräumaktionen organisiert wurden, um den Müll zu entfernen, scheint so als ob nicht viel mit dem Gebäude/Grundstück in nächster Zeit passiert (abgesehen davon, dass es wahrscheinlich aufgrund seines Zustands abgerissen wird).
Mars La Tour Kaserne / Radfahrerkaserne Adresse
Alter Postweg
15518 Rauen
52.347645, 14.039040