Die meisten Symbole der DDR sind relativ rasch nach der deutschen Wiedervereinigung in 1990 verschwunden. Zwar findet man gelegentlich noch einige DDR-Symbole, doch im Alltag sind sie eher selten zu sehen, so dass es immer eine Überraschung ist, wenn man eins in freier Wildbahn entdeckt. Noch überraschender ist es, wenn es sich um ein riesiges deutsch-sowjetisches Logo neben einer viel befahrenen Straße handelt, dass an die “Brücke der deutsch-sowjetischen Freundschaft” erinnert.
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Die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft
Nach der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik am 7. Oktober 1949 war es eines der Ziele des neuen Sozialistischen Staates, die antisowjetische Haltung in der Bevölkerung abzubauen. Es sollte nicht wirklich überraschen, dass nur Vier Jahre nach Kriegsende nicht jeder Deutsche der Sowjetunion oder ihrer Besatzungsarmee vertraute oder sonderlich freundlich gesonnen war. 1947 wurde die “Gesellschaft zum Studium der Kultur der Sowjetunion” gegründet, die 1949 in die “Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft” (DSF) umgewandelt wurde.

Die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft hatte das Ziel, die sowjetische Ideologie zu fördern und die deutsche und sowjetische “Freundschaft” zu pflegen. Die Mitgliedschaft in der DSF war zwar nicht verpflichtend, aber man brauchte einen triftigen Grund, um der Gesellschaft nicht beizutreten. Wer sich weigerte der DSF beizutreten hatte oft schwere Konsequenzen zu befürchten.
Bis 1988 hatte die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft 6,4 Millionen Mitglieder (etwa 40 % der ostdeutschen Bevölkerung) und war damit die zweitgrößte Massenorganisation in der DDR (direkt hinter der FDGB).
Der Kanal des Friedens
1951 beschloss der Ministerrat der DDR, die Wasserstraßen in Brandenburg mit dem “Havelkanal” auszubauen, um die Strecke zwischen Oder und Elbe zu verkürzen, sowie größeren schiffen die Passage zu erleichtern. Und – fast der wichtigste Punkt – mit dem neuen Kanal ermöglichte es die DDR West Berlin komplett zu umgehen (da ihre Schiffe alle durch das West-Deutsche gebiet mussten).

Das Projekt wurde offiziell “Kanal des Friedens” genannt und am 19. April 1951 ratifiziert. Der Bau des Kanals stieß anfangs auf mehrere Hürden: Es fehlte an Material, geeigneten Maschinen und qualifizierten Arbeitern, was den Erfolg des Projekts von Anfang an gefährdete. Mit vereinten Kräften und der Bündelung von Ressourcen gelang es 1500 Arbeitern, den 34 km langen Kanal in nur 13 Monaten fertigzustellen.

Einige der Eisenbahnbrücken über den „Kanal des Friedens“ wurden mit recycelten Stahlträgern aus den (während des Zweiten Weltkriegs) zerstörten Brücken entlang der Oder gebaut, während die Ufer des Kanals mit Trümmern aus dem zuvor zerbombten Berlin aufgeschüttet wurden.
Auch an geeigneten Unterkünften für die Bautrupps mangelte es, sodass man auf Baracken aus den nahe gelegenen (ehemaligen) Arbeitslagern der Nazis in Hennigsdorf zurückgreifen musste (die nach dem Krieg von Flüchtlingen aus den verlorenen Ostgebieten bewohnt wurden).
Die Brücke der Deutsch Sowjetischen Freundschaft
Natürlich braucht jeder Kanal eine Brücke – und der Kanal des Friedens hatte viele davon. Aber nur eine von ihnen hatte die Ehre, den Namen “Brücke der deutsch-sowjetischen Freundschaft” zu tragen. Die 75 Meter lange Brücke, die 1952 fertiggestellt wurde, überspannt den Eingang des Havelkanals und verbindet die Stadt Hennigsdorf mit dem Ortsteil Nieder Neuendorf.
Da die Brücke direkt am Eingang des neu geschaffenen “Kanal des friedens” lag, nutzte die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft die Gelegenheit, um “positive” PR für die Sowjetunion zu machen.
Die Brücke erhielt einen schicken Namen und die staatlich verordnete Freundschaft wurde durch zwei massive gusseiserne Tafeln stolz zur Schau gestellt. Eine der Tafeln erinnert an das Baujahr der Brücke, die andere zeigt stolz das Emblem der DSF. Die gusseisernen Tafeln wurden dann an der Seite der Brücke angebracht.


Dem aufmerksamen Beobachter ist vielleicht aufgefallen, dass auf der ostdeutschen Flagge kein DDR-Wappen zu sehen ist, und dafür gibt es eine einfache Erklärung: Das offizielle Wappen der Deutschen Demokratischen Republik wurde erst am 26. September 1955 eingeführt, und es wurde erst am 1. Oktober 1959 als Wappen auf die Flagge gesetzt.
Wir haben auch einen Ausführlichen Artikel zu diesem Thema, wo wir mal nachgegangen sind, wie viele Wappen der DDR in Berlin die deutsche Wiedervereinigung überlebt haben.
Eine neue Brücke über den Havelkanal
Die Brücke der deutsch-sowjetischen Freundschaft hatte in den späten 2010er Jahren das Ende ihrer Lebensdauer erreicht, sodass der Gemeinderat beschloss, dass es einfacher sei, sie abzureißen und eine neue, stabilere Brücke über den Havelkanal zu bauen. Die alte ostdeutsche Brücke wurde abgerissen, aber die gusseisernen Tafeln wurden von einem Mitarbeiter des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes gerettet.

Der Bau der neu benannten “Straßenbrücke Nieder Neuendorf” wurde 2019 (nach einer Bauzeit von 2 Jahren) abgeschlossen, aber das war nicht die einzige „Erneuerung“. Die Gedenktafeln der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft – standen plötzlich direkt neben der Hauptstraße, eingerahmt von einem tonnen schweren Betonklotz.

Es ist nicht klar, wer die Aufstellung angeordnet hat, aber ein großer Teil des Gemeinderats war sicherlich nicht begeistert davon (man denkt doch bitte an die Steuergelder…).
Sowohl die CDU als auch die Grünen brachten einen Antrag ein, dass das riesige ostdeutsche “Denkmal” (wieder) versetzt und in einem Ausstellungsraum zusammen mit einer angemessenen historischen Erklärung aufgestellt werden soll. Der Antrag der CDU verwundert nicht, da Sie ja auch Kürzlich schon zum X-mal den Abriss des Thälmann Denkmals in Pankow gefordert hat.

Die SPD – die auch den Bürgermeister stellt – brachte einen separaten Antrag ein, die DSF-Tafeln dort zu belassen wo sie ist, aber man sollte eine historische Erklärung hinzuzufügen, die den Kontext des “Denkmals” erläutert.
Die SPD, mit Unterstützung der Linken (wohlgemerkt der Nachfolgepartei der SED), hatten Erfolg mit ihren Antrag, und die Gedenktafeln für die Brücke der deutsch-sowjetischen Freundschaft durften bleiben wo sie sind, mit einer kleiner historischen erklärung.
Die Brücke der deutsch-sowjetischen Freundschaft heute (2022)
Mit der Infotafel scheint der Streit um das ostdeutsche Erbe beigelegt zu sein, zumindest für den Moment. Auch wenn nicht nach Hennigsdorf fährt um sich ein Deutsch Sowjetisches „Denkmal“ anzuschauen, so liegt die Straßenbrücke Nieder Neuendorf direkt am Mauerweg und der Weg an dieser Strecke ist doch sehr malerisch.

Die Brücke selbst ist wie fast jede andere Brücke in Berlin und Brandenburg – unspektakulär (die Aussicht ist aber doch recht hübsch). Wenn man sich schon soweit hier raus gewagt hat so lohnt sich die kleine Gedenkstätte für die Zwangsarbeit in Hennigsdorf zu besuchen dir direkt ums eck befindet.
Übrigens hat die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft nicht nur Straßen und Brücken nach sich benannt, sondern 1972 auch ein kleines Gebirge in der Antarktis – die “Berge der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft”.
Die ostdeutsche Arktisexpedition benannte den kleinen Gebirgszug 70 km südöstlich der sowjetischen Molodjeschnaja-Station aus Dankbarkeit für die jahrelange sowjetische Unterstützung. Der Gebirgszug trägt den Namen bis heute ( -67.983000, 47.376000 ).
Die Brücke der deutsch-sowjetischen Freundschaft
Straßenbrücke Nieder Neuendorf
L172, 16761 Hennigsdorf
52.61571, 13.20491